Viele afghanische Geflüchtete fürchten, dass sie abgeschoben werden können, wenn sie einen afghanischen Pass vorlegen. Sie haben daher oft Angst davor, sich einen Pass zu besorgen oder ihren Pass bei den Behörden vorzulegen. Aber Achtung: Oft gilt das Gegenteil! Von Abschiebung besonders bedroht sind afghanische Geflüchtete, die im Asylverfahren rechtskräftig abgelehnt wurden und die kein Ausweisdokument vorlegen können. Afghanische Asylsuchende, die aufgefordert werden, sich ein Ausweisdokument bzw. einen Pass zu besorgen, sollten sich daher dringend von einer unabhängigen Beratungsstelle beraten lassen.
Grundlage für die Erstellung eines afghanischen Passes ist die sogenannte Tazkira (auch Taskira, Tazkera oder Tazkirah geschrieben), die in Afghanistan als Identitätsnachweis dient. In dem einseitigen Dokument, das meist ein Lichtbild und Fingerabdrücke enthält, sind handschriftlich Angaben zur Person eingetragen, zu deren Familie, zu Wohn- und Geburtsort, zum Militärdienst und andere Angaben. Hauptproblem bei der Passbeschaffung ist für afghanische Geflüchtete, dass die Tazkira in der Regel nur in Afghanistan ausgestellt wird und daher auch nur von einer Vertretungsperson in Afghanistan besorgt werden kann.
Informationen der afghanischen Botschaft zur Beschaffung der Tazkira
Wenn der Anwalt, die Anwältin oder die Beratungsstelle dazu raten, sich eine Tazkira zu besorgen, sollten sich afghanische Geflüchtete an die Botschaft bzw. die Konsulate wenden. Auf der Webseite der afghanischen Botschaft werden die folgenden Voraussetzungen für die Antragstellung von Deutschland aus genannt (Informationen auf Persisch und Englisch), zuletzt abgerufen am 2.9.2019):
- Vorlage eines unterschriebenen und mit Daumenabdrücken versehenen Formulars;
- Notarielle Beglaubigung der Unterschrift, falls die Antragstellerin oder der Antragsteller nicht persönlich erscheinen;
- Vorlage von Passfotos;
- Vorlage einer Kopie der Tazkira eines Verwandten ersten Grades (vorsichtshalber väterlichseits!), dessen Name auch im Formular angegeben wurde;
- In Deutschland geborene Kindern sollen eine vom deutschen Auswärtigen Amt bestätigte (legalisierte) Geburtsurkunde sowie die Tazkira der Eltern vorlegen;
- Vorlage der Kopie eines deutschen Ausweisdokumente;
- Vorlage eines Dokuments, das die aktuelle Adresse bestätigt (Führerschein, Mietvertrag, Arbeitsvertrag o. Ä.);
- Angaben zur Identität einer Vertretungsperson, die die Antragstellerin oder den Antragsteller in Afghanistan vertritt und die Tazkira dort abholt;
- Vorlage eines Rückumschlags mit der Anschrift der Antragstellerin/des Antragstellers.
Zu dem Thema liegt außerdem eine Verbalnote der afghanischen Botschaft (samt Schriftverkehr zwischen den deutschen und den afghanischen Behörden) vom 22. Oktober 2018 vor, in dem auf das Verfahren zur Ausstellung der Tazkira bzw. der anschließenden Passbeschaffung näher eingegangen wird.
In der Praxis: Schwierigkeiten in der Praxis bei der Beschaffung einer Tazkira
Nach den oben genannten Informationen kann die Tazkira also prinzipiell in Afghanistan durch eine Vertretungsperson abgeholt werden. In der Praxis kam es dabei nach Mitteilung von Beratungsstellen allerdings zu erheblichen Problemen — so hätten Vertretungspersonen in Kabul die Auskunft erhalten, dass die in Deutschland gestellten Anträge nicht vorlägen bzw. dass es das Verfahren überhaupt nicht mehr gebe. Es seien außerdem hohe "Gebühren" genannt worden, die für die Ausstellung des Dokuments gezahlt werden sollten. Darüber hinaus kann es auch bei der Benennung von Vertretungspersonen zu großen praktischen Schwierigkeiten kommen (besonders wenn Betroffene keine Kontakte mehr zu ihren Familien haben oder falls für diese die Vorsprache in Kabul nicht möglich ist).
Neue Informationen zur Beschaffung der Tazkira von Deutschland aus
Im Mai hat die Afghanische Botschaft eine Neuregelung bekanntgegeben. Danach können für den Fall, dass keine Sachbeweise für die afghanische Staatsangehörigkeit vorliegen, afghanische Staatsangehörigen selbst über das Internet (hier) einen Termin bei der Botschaft in Berlin vereinbaren und die Tazkira persönlich in Begleitung zweier Zeugen beantragen. Diese Zeugen müssen die afghanische Staatsangehörigkeit der antragstellenden Person in einem Protokoll bezeugen, dieses unterschreiben und per Fingerabdruck bestätigen. Es folgt ein persönliches Interview mit dem Konsul. Nach etwa sechs Wochen muss die Antragsteller*in dann erneut im Konsulat bei der Botschaft vorsprechen um dann den Antrag auf Ausstellung des Reisepasses zu stellen.
Die Zeugen müssen gewisse Voraussetzungen erfüllen: Sie müssen volljährig sein und sowohl ein afghanisches Ausweisdokument (Reisepass/Tazkira) als auch einen deutschen Aufenthaltstitel (Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis) besitzen.
Wichtige Info: Wenn bei der Beschaffung der Tazkira die oben skizzierten oder andere Probleme auftreten, sollten Geflüchtete diese Schwierigkeiten mit Hilfe einer Anwält*in oder einer Beratungsstelle den Behörden darstellen. Dafür kann es hilfreich sein, Termine bei der Botschaft mit Begleitpersonen wahrzunehmen, die die Angaben später bestätigen können. Außerdem sollten von Kontakten mit der Botschaft oder anderen afghanischen Institutionen Gedächtnisprotokolle angefertigt werden.